Sammlung Grässlin

Rundgänge

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Vorschau

IM LAND DER MOTIVE BRENNT KEIN LICHT MEHR ab 13.7.2025

Kai Althoff, Cosima von Bonin, Werner Büttner, Günther Förg, Georg Herold, Mike Kelley, Martin Kippenberger, Hans-Jörg Mayer, Reinhard Mucha, Manuel Ocampo, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Tobias Rehberger, Chéri Samba, Jörg Schlick, Christopher Williams

Christian Malycha

Im Land der Motive brennt kein Licht mehr

Kunst und Gegenwart // Wie zusammen leben?

In einer Welt, die vollends aus den Fugen geraten ist, widmet sich die Sammlung Grässlin mit der Ausstellung Im Land der Motive brennt kein Licht mehr »den schweren Themen« (A. Oehlen) unserer Zeit. Die Ausstellung geht zurück an den Ursprung unserer aktuell nur schwerlich aushaltbaren Gegenwart.

Schon in den späten 1970ern und frühen 1980ern schien jede bequeme Gewissheit dahin zu sein. Von hehrem Weltgeist oder Weltweisheit war nichts zu spüren. Ob gegen verschwiegene Verstrickungen in den Nationalsozialismus, gegen unter dem Deckmantel von Freiheit und Demokratie geführte Wirtschaftskriege oder etwa für einen bewussteren Umgang mit der Umwelt und sexuelle Selbstbestimmung, eine ganze Generation von Künstlerinnen und Künstlern lehnte sich angesichts der Kaputtheit der Welt gegen eine ebenso erstarrte wie verlogene Gesellschaft auf.

Um 1980 fiel die bisherige Welt auseinander, doch eine neue war noch nicht da. Also wurden die Finger künstlerisch auf alle gesellschaftlichen Wunden und blinden Flecken gelegt, ohne dass feststand, was richtig oder falsch, gut oder böse sei. Die Kritik folgte umgehend: Solche Kunst sei zynisch und menschenverachtend. Aus heutiger Sicht sollte man sich allerdings fragen, ob Ironie und Zynismus damals nicht Ausdruck von einer zutiefst verzweifelten Menschlichkeit waren?

Auch 2025 fällt die bisherige Welt auseinander, ohne dass wir wüssten wie eine neue aussehen könnte. Und wieder wird – mit wortreich-symbolischen Bekundungen – geschwiegen. Diesmal jedoch nicht aus Scham über die eigenen Verfehlungen, sondern aus Angst, etwas vermeintlich Falsches zu sagen und Verantwortung für das eigene Tun übernehmen zu müssen. Nur zeigt sich dabei, dass politisch korrekte Reglementierungen den sozialen Zusammenhalt keineswegs stärken, sondern durch unausgesprochene Sprach- und Denkverbote spalten (»cancel culture«, »echo chambers« usf.).

Wie wollen wir heute zusammenleben, wenn Zusammenleben nicht nur Teilhabe braucht, sondern immer auch Reibung? Denn das Allgemeine einer Gesellschaft liegt vielleicht gerade in der bewusst ausgehaltenen und vor allem permanent auszuhandelnden Vielfalt ihrer Stimmen und Perspektiven – einschließlich der unbequemen. Spricht eine Gesellschaft nur noch mit einer einzigen Stimme, sollte man sich Sorgen machen.

Die Ausstellung Im Land der Motive brennt kein Licht mehr ist eine Einladung, sich den Herausforderungen unserer schmerzlichen Gegenwart durch die Kunst zu stellen: Politik und Populismus, Kolonialismus und Rassismus, Sexualität und Identität, Wirtschaftsexzess und Verelendung, Krieg, Hunger, Flucht und Vertreibung, Konsum, Ausbeutung und Auslöschung, Religion, Umwelt und Klima, Anpassung und Auflehnung, Konformismus und individueller Widerstand, Sommerfrische, Tränen, Magermilch …

Denn augenblicklich scheint es noch nicht ganz ausgemacht, dass ›keiner keinem hilft‹ und es wirklich zappenduster wird in der Welt. Also es gibt noch etwas zu tun: »Arbeiten, bis alles geklärt ist«!

 

 

 

Christian Malycha

No more light burns in the land of motifs

Art and the present // How to live together?

In a world completely out of joint, the new exhibition of the Grässlin Collection No more light burns in the land of motifs is dedicated to »the hot issues« (A. Oehlen) of our time. The exhibition goes back to the origins of our present, which currently is only hardly to endure.

Already in the late 1970s and early 1980s, any comfortable certainty seemed to be gone for good—or worse. No sign of any world spirit or sublime world wisdom. Whether against the glossed over involvement in National Socialism, against economic wars waged under the guise of freedom and democracy or for a more conscious approach towards the environment and sexual self-determination, an entire generation of artists rebelled against a society that was as rigid as it was hypocritical in the face of a broken world.

Around 1980, the previous world was falling apart, but a new one had not yet emerged. So the fingers were artistically placed on all social wounds and blind spots, without it being clear what was right or wrong, good or bad. Criticism followed immediately: such art was cynical and inhuman. Seen from today, however, we should ask ourselves, if, back then, irony and cynicism were not an expression of a deeply desperate humanity?

In 2025, the world is falling apart again without us even knowing what a new one might look like. And once more—with most virtuous and eloquent declarations—we remain silent. This time, though, not out of shame about our own wrongdoings, but out of fear of saying something supposedly wrong and having to take responsibility for our own doings. Yet by now, it’s become all too obvious that politically correct regulations in no way strengthen social cohesion but rather divide through unspoken language and thought bans (»cancel culture«, »echo chambers«, et al).

How do we want to live together, if living together today requires not only participation, but also friction? After all, the essence of any society might perhaps be precisely in the multitude of its voices, stances and perspectives—including the ones most uncomfortable—that is deliberately preserved and, above all, permanently negotiated. If a society only spoke with a single, unanimous voice, we should be worried.

The exhibition No more light burns in the land of motifs is an invitation to confront the challenges of our painful present by means of art: Politics and populism, colonialism and racism, sexuality and identity, economic excess and impoverishment, war, hunger, flight and displacement, consumption, exploitation and annihilation, religion, environment and climate, well-adjustment and insurrection, conformism and individual resistance, summer freshness, tears, skimmed milk …

For, at the moment, it doesn’t seem to be a foregone conclusion that ›no one helps no one‹ and that the world really is in a state of grim darkness. So, there’s still something to be done: »Work until everything is sorted out«!