Sammlung Grässlin

Meuser & Gastspiel – Werke aus den Sammlungen Grässlin und Wiesenauer

Mit der neuen Präsentation wird das Ausstellungskonzept der Sammlung Grässlin erstmals erweitert, indem die Sammlung des Stuttgarter Ehepaars Ursula und Hanns Wiesenauer zu Besuch in St. Georgen ist. In GASTSPIEL – WERKE AUS DEN SAMMLUNGEN GRÄSSLIN UND WIESENAUER treten ausgewählte Arbeiten in einen Dialog. 

Den Sammlungsschwerpunkten entsprechend, werden mit einem Fokus auf Malerei Positionen der 1980er und 1990er Jahre gezeigt. Wie Anna und Dieter Grässlin begannen auch Ursula und Hanns Wiesenauer in den 1970er Jahren Werke des süddeutschen Konstruktivismus und von Künstlern des deutschen Informel zu erwerben. Begeisterung hegten sie auch für die nächste Generation deutscher Maler, und so fanden in den Folgejahren Künstler wie Raimund Girke, Ulrich Erben und Walter Stöhrer Eingang in die Sammlung. Anfang der 1980er Jahre kamen Ursula und Hanns Wiesenauer in Kontakt mit der damals in Stuttgart ansässigen Galerie Max Hetzler, deren Partnerin Bärbel Grässlin war, und begannen mit viel Enthusiasmus die jungen Künstler der 1980er Jahre und später der 1990er und 2000er Jahre zu sammeln. 

Die Verbindung zwischen Bärbel Grässlin und Ursula und Hanns Wiesenauer hat bis heute Bestand. Viele der gesammelten Positionen sind daher in beiden Sammlungen zu finden. Es war nicht einfach, aus den umfangreichen und über Jahrzehnte gewachsenen Sammlungen Werke auszuwählen. Daher haben wir uns mit wenigen Ausnahmen auf gemeinsame künstlerische Positionen aus beiden Sammlungen beschränkt, wodurch ein spannender Dialog zwischen den gezeigten Werken entstanden ist. Die Werke aus dem Besitz des Ehepaars Wiesenauer werden durch das Gastspiel im KUNSTRAUM GRÄSSLIN und den RÄUMEN FÜR KUNST erstmalig einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 


Im KUNSTRAUM GRÄSSLIN wird mit Arbeiten von Meuser aus den 1980er bis 2000er Jahren ein Überblick über das Werk des Künstlers präsentiert, dessen Atelier und Materiallager bekanntermaßen der Schrottplatz ist. Schrott ist ein Material, das durch viele Hände ging und sich durch deren Nutzung veränderte, bis es schließlich überflüssig war und weggeworfen wurde. Meuser greift dieses Material auf. Durch seine Bearbeitung löst er es zwar aus seiner einstigen Zweckgebundenheit, verhindert aber auch, dass der Schrott in den Recyclingkreislauf eintritt und seine Form durch Einschmelzung verliert. Zuschnitt, Schweißung, Stauchung, Faltung und Oberflächenbehandlung bereiten das Rohmaterial auf und hauchen ihm neues Leben ein, ohne das alte unsichtbar zu machen. Dieser Prozess wird durch eine Umwidmung abgeschlossen. Titel, die zwischen der Banalität eines Kneipenwitzes und bildgebender Poesie schwingen, weisen den Skulpturen nicht nur einen Namen, sondern auch ein Gesicht zu. 

In den RÄUMEN FÜR KUNST werden ausgewählte Werke der 1980er und 1990er Jahre präsentiert. In den 1960er und 1970er Jahren war die Auseinandersetzung mit den Grenzen der traditionellen Medien Skulptur und Malerei vorherrschend. Das Kunstobjekt und die Bedingungen, in denen es existiert, rückten immer mehr in den Fokus. Ob Land Art, Performance, Minimal Art, Konzeptkunst oder Institutionskritik, all diese Tendenzen fragten nach der Wichtigkeit der künstlerischen Handschrift und trieben die Entmaterialisierung des Kunstobjekts immer weiter voran. 

„Der Fehler fängt schon an, wenn einer sich anschickt Keilrahmen und Leinwand zu kaufen.“ [1]

Diese Meinung von Joseph Beuys wies der Malerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Randposition zu. Das materialisierte Medium der Kunst par excellence wurde so als anachronistisch verurteilt. Diese Haltung gegenüber der Malerei war der Ausgangspunkt für die Künstlergeneration der 1980er Jahre:


Die frühen Bilder von Werner Büttner, Martin Kippenberger und Albert Oehlen stehen beispielhaft dafür, denn sie zeigen eine Auflehnung gegen die immer konzentrierter und selbstreflexiver werdenden Tendenzen ihrer Vorgänger. Eine Gemeinsamkeit der drei miteinander befreundeten Künstler war ihr Rebellionscharakter, der sich in ihrem Gestus niederschlug. Mit Wut und Verve wurden in den 1980er Jahren Motive auf die Leinwand gebracht, die sich gegen das bestehende Wertesystem der Bundesrepublik richteten und dessen “Gesundheits-, Ganzheits- und Perfektionsphantasten”[2] als Verblendung entlarven wollten. Der Sozialstaat, die nationalsozialistische Vergangenheit, das Kleinbürger- und Künstlertum, die Alltags- und Populärkultur und auch die Moderne Kunst waren beliebte Ziele ihrer bissigen Provokationen. 

Diese Haltung spiegelte sich aber nicht nur in der Malerei wider und so trifft man in den RÄUMEN FÜR KUNST neben zahlreichen Bildern auch auf Skulpturen und Installationen von Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger und Markus Oehlen. Des Weiteren begegnen einem beim Rundgang auch konzeptuelle Arbeiten von Helmut Dorner, Günther Förg, Imi Knoebel oder Heimo Zobernig sowie auf die sich zwischen Abstraktion und Figuration bewegenden Malereien von Herbert Brandl und André Butzer.


[1] Beuys, Joseph „Manifest“, 1.11.1985.

[2] Zit. n. Draxler, Helmut: Grundmythos mit Kausalzusammenhang – Materialien zur Historisierung der »Bande«, in: MALEN IST WAHLEN (Ausst.-Kat. Kunstverein München, 15. Juli – 13. September 1992), München 1992, S. 7–11, hier S. 8.

Enquiry